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7. TEN.-Convention am 27.09.2018

Ausschließliche ärztliche Fernbehandlung: Vorhang auf für die Telemedizin

Zur 7. TEN.-Convention trafen sich am Donnerstagabend Entscheider der Gesundheitsbranche im Kongresshaus Heidelberg, um sich rund um das Thema der Telemedizin auszutauschen. Die Referenten des Abends waren Herr Dr. med. Ulrich Clever, Präsident der Landesärztekammer Baden-Württemberg, und Katharina Jünger, Co-Founderin und CEO der TeleClinic GmbH.

Was in anderen Ländern schon lange gang und gäbe ist, blieb deutschen Ärzten bisher verwehrt: Seit der bismarckischen Sozialgesetzgebung herrschte in Deutschland das Fernbehandlungsverbot. Ärzte durften ihnen noch unbekannte Patienten nicht aus der Ferne beraten, therapieren oder diagnostizieren. Mit diesem Rückblick auf die Ursprünge des Fernbehandlungsgesetzes eröffnete Dr. med. Ulrich Clever, Präsident der Landes-ärztekammer Baden-Württemberg, seinen Vortrag zur 7. TEN.-Convention. „Die Ärzteschaft hat, mit der Struktur des deutschen Ärztetages, dieses Fernbehandlungsverbot nun aufgehoben“, erklärt Herr. Dr. Clever in seiner Rede zum Thema „Ausschließliche ärztliche Fernbehandlung – Berufsordnung und Modellprojekte in Baden-Württemberg“. Jedoch sei die Berufsordnung in den einzelnen Bundesländern zeitlich und inhaltlich unterschiedlich umgesetzt. So müssten die Landesärztekammern dieser Lockerung des Fernbehandlungsverbotes erst noch zustimmen. Als bundesweiter Vorreiter habe die Landesärztekammer Baden-Württemberg bereits im Sommer 2016 ihre Berufsordnung geändert, um ärztliche Behandlungen künftig auch ausschließlich auf Distanz durchführen zu können. „Bei diesen genehmigungspflichtigen Modellprojekten ist es uns besonders wichtig, die Qualität durchzusetzen, die unsere Berufsordnung den Ärzten abverlangt“, betont Dr. Clever. Um den Patienten zu schützen, würden teilnehmende Ärzte z.B. auf ihre fachliche Kompetenz überprüft sowie eine regelmäßige Dokumentation eingefordert, ebenfalls sei eine gültige Haftpflichtversicherung für sie unumgänglich. Neben der Sicherung der Qualität und dem Schutz der Patienten war für die Landesärztekammer Baden-Württemberg noch eine weitere Sache von hoher Bedeutung: „Um langfristig erfolgreich zu sein, wollten wir die Kassenärztliche Vereinigung mit ins Boot holen“. Zudem ist sich Dr. Ulrich Clever bewusst, dass medizinischer Nachwuchs mit den modernen Medien arbeiten und diese ganz selbstverständlich in den Arbeitsalltag integrieren werde. Deshalb sei es ebenfalls besonders wichtig, dieses Paradigma anzugehen und den Vorhang für die Telemedizin zu öffnen.

Für diesen mutigen Schritt sprach die zweite Sprecherin des Abends, Katharina Jünger, Co-Founderin und CEO der TeleClinic GmbH, Herrn Dr. Clever ihren Respekt aus. Die TeleClinic GmbH sei das erste von der der Landesärztekammer Baden-Württemberg genehmigte Modellprojekt gewesen, welches sich die Telemedizin zur ausschließlichen Fernbehandlung von Privatversicherten zu Nutzen machte. „Wir wollten die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um Arzt und Patient näher zusammenzubringen“, so Frau Jünger. Dabei habe sie sich überlegt, wie sie dem Patienten ganz einfach und schnellstmöglich einen qualifizierten Arzt zur Verfügung stellen könne. So sei die Idee der TeleClinic GmbH erstanden, die Patienten und Ärzte miteinander vernetzt. Patienten können über Web-Plattform, App oder Festnetztelefonie Kontakt zur TeleClinic aufnehmen und so mit dem Arzt verbunden werden. „Viele Ärzte, die bei uns teilnehmen, haben eine reguläre Praxis, bei denen Patienten sich öfter verspäten oder spontan absagen“, erläutert Frau Jünger. Ärzte könnten selbst entscheiden, wann sie für einen Patienten, der über die TeleClinic kontaktiert werden möchte, Zeit haben. „Telemedizin bietet so auch eine Möglichkeit, vorhandene Ressourcen effizient zu nutzen“, freut sich Katharina Jünger. Doch allein der Kontakt zum Arzt reiche den Patienten nicht aus. Viele wünschten sich, dass über Distanz auch Rezepte verschrieben und gedruckt werden könnten. Diesem Bedürfnis habe sich die TeleClinic angenommen und Anfang des Jahres das erste e-Rezept auf den Markt gebracht. Weiter soll die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung folgen, die im Herbst 2019 auf den Markt kommt.

Nach den Vorträgen folgte die inzwischen etablierte TEN.-TED Befragung. Die Frage, ob die Videosprechstunde ein notweniger Bestandteil des Versorgungsalltags sei, beantwortete die deutliche Mehrheit des Plenums (90%) mit einem klaren „Ja“. Auch bei der nächsten Frage waren sich die meisten einig: Um die Videosprechstunde weiterzuentwickeln, stimmten 70% der TEN.-Teilnehmer für eine starke Integration in die AIS/KIS-Systeme. Dies solle dem Arzt die Arbeit erleichtern. Nur 30% forderten eine Kombination mit der Apple Watch o.ä., um das Potential auszuschöpfen. Die Zukunft der Videosprechstunde wurde jedoch kontrovers diskutiert. Während 40% der Befragten sich sicher waren, dass sie sich nur auf ein „besseres Telefonat“ beschränken wird, waren 60% der Meinung, dass sie bald integraler Bestandteil der Arzt-Patienten-Beziehung sein und etliche persönliche Kontakte ersetzen wird. Hier kam vor allem die Frage auf, ob ein zusätzliches Medium die sowieso bereits komplexe Kommunikation zwischen Arzt und Patient nicht noch verkompliziert. „Deshalb ist es uns wichtig, dass sogenannte Tele-Ärzte vorher mindestens fünf Jahre in der Praxis gearbeitet haben und in Kommunikation sowie Empathie geschult werden“, merkte Herr. Dr. Clever an. Am Schluss waren sich alle einig: Die ausschließliche ärztliche Fernbehandlung ist ein essentieller Bestandteil unseres digitalen Fortschritts. Jedoch muss hier der Patientenschutz im Vordergrund stehen und gewährleistet werden.

Die Gotthardt Healthgroup AG bietet mit der TEN.-Convention Entscheidern der Gesundheits- und Pharmabranche eine Plattform, aktuelle Entwicklungen zu diskutieren und Projekte zu initiieren. Die nächste Veranstaltung findet am 31. Januar 2019 statt.